Die Zwecke der Ehe: Institutionelle oder personalistische Sicht? - Monitor Ecclesiasticus 120 (1995), pp. 449-478
I. Der personalistische Verständnis der Ehe und das Lehramt - II. Der personalistische Verständnis der Ehe und der Codex Iuris Canonici - III. Die Ehezwecke - IV. Zwei institutionelle, unter einander verbundene Ehezwecke - V. Die beiden biblischen Berichte über die Einsetzung der Ehe - VI. Die Natur des 'bonum coniugum' - VII. Gegenseitiger Beistand: gegenseitige Vervollkommnung? - VIII. Das 'bonum coniugum': umfassender als das 'mutuum adiutorium' - IX. Die Anforderungen einer personal gelebten Ehe - X. Das personalistische Verständnis der Geschlechtlichkeit und der Fruchtbarkeit - XI. Zusammen-fassung - XII. Die Untrennbarkeit - XIII. Weiterführende Perspektiven
Während eines beträchtlichen Teils dieses Jahrhunderts sahen sich Theolo-gen, Kanonisten und Anthropologen in eine heftige Debatte über die Ehezwecke verwickelt, die bisweilen selbst über die Natur der Ehe geführt wurde. Auf der einen Seite stand das traditionelle, oft 'prokreativ' oder 'institutionell' genann-te Verständ-nis, das die Ehezwecke in hierarchi-scher Weise einander unterordnete, sodass ein 'primärer' Zweck (die Zeugung) den Vorrang vor den zwei 'sekundären' Zwecken (dem gegenseitigen Beistand und dem remedium concu-piscen-tiae) inne hatte. Auf der ande-ren Seite war eine neues Verständni-s in Erschei-nung getreten, welches verlangte, dass anderen personalen Werten, die Mann und Frau einten, wenigstens ein gleichwertiger 'Status' zu-gestanden werden sollte, ohne dabei notwendigerweise die Bedeutung der Zeugung zu leugnen. Als solche Werte wurden die gegenseitige Liebe, die eheliche Gemein-schaft in ihrer spirituellen und nicht nur in ihrer physischen Dimension und anderes mehr ins Feld geführt.
Bis zum Zeitpunkt, als das traditionelle Verständnis noch keine Gegner-schaft erfahren hatte, also bis in unser Jahrhundert, überliess man die prak-tische Betrachtung der Ehe fast ausschliesslich den Moraltheologen und Kano-ni-sten: Die ersteren befassten sich vor allem mit dem ethischen Aspekt der Se-xualität, letztere mit den Fragen bezüglich der Gültigkeit des Ehekonsenses (dessen Objekt man schlicht mit dem 'ius in corpus' identifizierte). Man be-trachtete die Ehe unter dem Aspekt des ersten Ehezweckes; ihre beiden We-senseigenschaften, die Einheit und die Unauflöslichkeit, verstand und erklärte man dann hauptsächlich als im Dienst des ersten Zweckes stehend.
Die Behandlung der sekundären Zwecke war stets sehr allgemein gehalten. Den Aspekt des gegenseitigen Beistandes betrachtete man einfachhin unter der Hinsicht der Unterstützung und Tröstung, die sich die Gatten in den Bedräng-nissen des Lebens und vor allem im fortgeschrittenen Alter schenken konnten. Schon Thomas von Aquin wies auf eine Meinung hin, die er nicht unbedingt teilte, welche die Bedeutung des 'mutuum adiutorium' noch mehr einzuschrän-ken versuchte: "Die Heilige Schrift sagt, dass die Frau geschaffen wurde, um dem Mann eine Hilfe zu sein. Dabei kann es sich nur um die Zeu-gung handeln, welche sich durch die Copula vollzieht: Der Grund ist, dass dem Mann für jeden anderen Zweck besser durch eine Mann als durch eine Frau geholfen werden kann" [1].
Das 'remedium concupiscentiae' wurde im Mittelalter allgemein als sekundä-rer Zweck betrachtet, der nach dem Sündenfall durch eine Art zweiter Ein-set-zung der Ehe angefügt worden war, um die starke Neigung zur Sünde zu kompensieren, welche die Situa-tion des Menschen nunmehr prägte [2].
In den letzten hundert Jahren sind Positionen vertreten worden, gemäss welchen sich dieses eben beschriebene Verständnis der Ehezwecke allzusehr auf die Fortpflan-zungsfunktion konzentriere, wogegen Aspekte an den Rand gedrängt würden, welche die Mehrheit der Menschen (besonders die Mehrzahl der Ehepaare) für das Eheleben als zentral ansähen. Es sind dies die Liebe zwischen Mann und Frau als vorrangiges Motiv für die Ehe, die Verheisung von Glück und 'Selbstverwirklichung' und die auf der Sexualität beru-hen-den menschlichen Werte. Zweifellos haben die moderne romantische Literatur und auch die neuen psychologischen Wissenschaften Einfluss gehabt auf die Ent-wicklung solcher Positionen; jedenfalls ist es sicher, dass in den ersten Jahr-zehnten dieses Jahrhunderts viele Autoren dahin neigten, diese in der Ehe enthaltenen perso-nalen Werte hervorzuheben.
Von den ersten 'personalistischen' Autoren sind Dietrich von Hilde-brand und Herbert Doms zu nennen (D. VON HILDEBRAND, Die Ehe, München 1929. H. DOMS; Vom Sinn und Zweck der Ehe, Breslau 1935). Von Hildebrand hat vor allem die in der Ehe implizierte Liebesbeziehung betont. Demgegenüber sah Doms das Wesen der Ehe mehr in der leiblichen Einung. Das Ziel der Ehe bestand für ihn in der Ver-wirklichung der Gatten als Personen.
Während von Hildebrand darauf bestand, dass der eheliche Akt sich auf das Leben hin offen halten müsse, behauptet er dennoch, dass der Akt "in sich schon ihre eine volle Bedeutung hat" und folglich verstanden werden müsse als "volle Realisierung der ehelichen Liebesgemeinschaft" (Il Matrimonio, S. 49-50), Doms ging einen Schritt weiter, indem er die Ansicht vertrat, dass "der eheliche Akt einen vollen Sinngehalt hat und sich schon in sich selbst rechtfertigt, unter Absehung seiner Orientierung auf das Kind." ("L'acte conjugal est plein de sens et se justifie déja en soi-même, abstraction faite de son orientation vers l'enfant.", Conception personnaliste du mariage d'après S. Thomas, in: Revue Thomiste 45 (1939), S. 763). B. Krempel, ein anderer personalistischer Gelehrter der Vorkriegsepoche, betrachtete Kinder nicht als Zweck der Ehe. Den Zweck der Ehe sah er vielmehr in der 'vitalen Einheit' von Mann und Frau, deren Kind dann lediglich Ausdruck dieser Einheit sei (Zitiert bei A. PEREGO, Fine ed essenza della società coniugale, in: Divus Thomas 56 (1953), S. 357ff).
Viele 'Personalisten' haben einer hierarchischen Ordnung der Zwecke ge-gen-über eine ablehnende oder wenigstens kritische Haltung eingenommen. Diese Konzeption der Ehe hielten sie für übermässig an der Institution orientiert, weil die Hervorhebung der prokreativen Finalität der personalen Verwirkli-chung des Menschen, welche Mann und Frau natürlicherweise suchten, wenn sie heirateten, schade, oder sie geradezu ausschliesse.
Gerade die Frage nach der Hierarchie der Zwecke, oder genauer deren gegen-seitiger Bezogenheit, rief die harte, wenn auch sorgfältig präzisierte, offizielle Frontstellung hervor, die das personalistische Verständnis der Ehe während des Pontifi-kats Pius XII. erfuhr.
I. Das personalistische Verständnis der Ehe und das Lehramt
In einer Ansprache an die Rota am 3. Oktober 1941 wandte sich Pius XII. gegen die Tendenz, den sekundären Ehezweck als gleichermassen vorrangig zu betrachten, indem man ihn von seiner wesenhaften Unterordnung unter den ersten Ehezweck löse. Er tadelte die übermässige Loslösung oder Trennung des ehelichen Aktes vom Primärzweck (Vgl. AAS 33 (1941), S. 423). Dem folgte am 1. April 1944 ein Dekret des Heiligen Offiziums über die Ehezwecke. Darin wurde die These verworfen, wonach der sekundäre Ehezweck als vom primären unabhängig angesehen werden könne und diesem nicht untergeordnet sei (Vgl. AAS 36 (1944), S. 103). In einer Ansprache im Jahre 1951 an die Italienischen Geburtshelferinnen insistierte Pius XII. deutli-ch auf der Theorie der Hierarchie der Ehezwecke. Er erinnerte daran, dass der Heilige Stuhl schon im Dokument aus dem Jahre 1944 die Meinung derjeni-gen als inakzeptabel zurückgewiesen habe, die verneinten, dass die Zeugung und Erziehung der Kinder den primären Ehezweck darstellten. Ebenfalls verwarf der Papst die Ansicht, die sekundären Ehezwecke seien dem primä-ren Ehe-zweck nicht wesenhaft unterworfen, sondern gleichberech-tigt und von diesem unabhängig (Vgl. AAS 43 (1951), S. 849).
So kann man festhalten (umso mehr noch aus heutiger Perspektive), dass der wesentlichste Beitrag des Lehramts Pius XII. in diesem Bereich in der Zurückweisung der These liegt, gemäss der die Ehezwecke von einander 'un-abhängig' und untereinander nicht wesenhaft verbunden sein sollen. Seine mit be-acht-licher Kraft vorgetragenen lehramtlichen Äusserungen waren erfor-derlich wegen derjenigen in den Dreissiger Jahren erschienenen personalisti-schen Thesen, die die prokreative Finalität der Ehe völlig zu übergehen schie-nen, indem sie die Ansicht vertraten, dass der eheli-che Akt schon in sich selbst eine volle Sinnhaftigkeit enthalte, auch unter Abse-hung von der prokreativen Zielrichtung. So lässt sich auch erkennen, wie eng das Denken Pius XII. mit dem von Paul VI. verbunden war, das schliesslich in der Enzyklika Humanae Vitae zu Ausdruck kam, in welcher Paul VI. die natürliche und wesenhafte Un-trennbarkeit des unitiven und prokreativen Aspekts des ehelichen Aktes hervorhob. Auch die Verbindung mit Gaudium et Spes muss in diesem Zu-sammenhang erwähnt werden (Vgl. Nr. 51 2). Während dieser Jahrzehnte hat das Lehramt deutlich seine Ablehnung markiert gegenüber allen Spielarten des ehelichen Personalismus, die dahin neigten, eine 'Philosophie der Empfängnisverhütung' zu unterstützen.
Ungeachtet der Ablehnung, die gewisse Positionen des Personalismus wäh-rend des Pontifikats Pius XII. erfuhren, verlor die personalistische Grund-these nicht an Kraft. Sie tauchte nicht nur mit voller Kraft in den Jahren des Kon-zils in der Konzilsaula auf, sondern eroberte in den Augen vieler einen defini-tiven Sieg.
Zweifellos ist das Bild der Ehe, wie es in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute gezeichnet wird, stark personalistisch ge-prägt. Gaudium et Spes beschreibt in Nr. 48 die Ehe als "innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe", stellt den Ehekonsens als "gegenseitiges Sich-schenken zweier Personen" dar, und besteht darauf, dass Mann und Frau, indem sie sich gegenseitig beistehen und dienen, "immer mehr das eigentliche Wesen ihrer Einheit erfahren und vollziehen".
Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Rolle und der Würde der eheli-chen Liebe geschenkt, die natürlich nicht als Zweck vorgestellt wird. Die Konstitu-tion hebt ihre Bedeutung hervor: "Diese eigentümlich menschliche Liebe geht in frei bejahter Neigung von Person zu Person, umgreift das Wohl der ganzen Person, vermag so den leib-seelischen Ausdrucksmöglichkeiten eine eigene Würde zu verleihen und sie als Elemente und besondere Zeichen der ehelichen Freundschaft zu adeln... Eine solche Liebe,..., führt die Gatten zur freien ge-genseitigen Übereignung ihrer selbst, die sich in zarter Zuneigung und in der Tat bewährt, und durchdringt ihr ganzes Leben." Die Konstitution unter-streicht auch die gleiche Personwürde von Mann und Frau, die in gegen-seiti-ger und vollkommener Liebe anerkannt werden muss (Nr. 49).
Während bekräftigt wird, dass die Ehe von Gott eingerichtet worden ist, "ver-sehen mit vielfachen Werten und Zwecken", wird nicht - abgesehen von der Zeugung - genauer ausgeführt, welches diese Zwecke sind. Ebenfalls wird keinerlei Art von Hierarchie unter den verschiedenen Zwecken angegeben. Es ist besonders interessant, dass zwar die natürliche und wesenhafte Hinord-nung der Ehe und der ehelichen Liebe auf die Zeugung zwei Mal ausgedrückt wird (Nr. 48, 50), dass sich aber nur ein kurzer Hinweis auf den 'gegenseiti-gen Beistand' findet, der nicht deutlich als Zweck ausgewiesen wird, während schliesslich das 'remedium concupiscentiae' überhaupt nicht erwähnt wird.
Diese Darstellung könnte den Eindruck verstärken, den wir schon erwähnt haben, und der ziemlich allgemein anerkannt wird: Nach nur einem halben Jahrhundert, mit dem 2. Vatikanischen Konzil, soll der Personalismus das institutionelle Verständnis der Ehe überwunden haben und schliesslich - wenn auch nur widerstrebend - die offizielle Anerkennung des Lehramts erhalten haben.
Obwohl diese Einschätzung verbreitet ist, ist sie dennoch nicht zutreffend. Denn es entspricht nicht den Tatsachen, wenn behauptet wird, dass das per-sonalistische Verständnis der Ehe seitens des Lehr-amts bis zum 2. Vatikani-schen Konzil nur auf Ablehnung gestossen sei. Geht man in die Zeit vor Pius XII. zurück, so kann man eine erste Stufe in der Entwicklung dieses persona-listischen Verständnisses finden, und zwar in der vom glei-chen päpstlichen Lehramt herausgegebenen Enzyklika Casti Connubii von Pius XI.
Die Aussage, dass der Konsens und der eheliche Akt das 'grosszügige Sich-Schenken der eigenen Person' einschliesse, wird allgemein dem 2. Vatikani-schen Konzil zugeschrieben. Man kann sie aber schon in Enzykli-ka Casti con-nubii finden (Vgl. AAS 22 (1930), S. 553>>. Diese nimmt folglich die Aussagen des Konzils um mehr als dreis-sig Jahre vor-weg. Pius XI. lobt die Liebe zwischen Mann und Frau, wel-che "in der christli-chen Ehe eine besondere Würde und Vorrechtsstellung einnimmt". In einem bedeu-tenden Ab-schnitt unterstreicht er, dass diese Liebe zu persönlicher und geistlicher Entwicklung führen solle: Die eheliche Liebe "muss auch, und zwar in erster Linie, darauf abzielen, dass die Gatten ein-ander behilflich seien, den inneren Menschen immer mehr zu gestalten und zu vollenden... Die gegenseitige innere ausgleichende Bildung der Gatten, das beharrliche Bemühen, einander zur Vollendung zu führen, kann man,..., sogar sehr wahr und richtig als Hauptgrund und eigentlichen Sinn der Ehe bezeich-nen" [3]. Wir werden auf diesen Ab-schnitt bei Gelegen-heit noch zu-rückkommen.
Das vom 2. Vatikanischen Konzil vorgelegte personalistische Verständnis der Ehe hatte also im Lehr-amt Pius XI. schon einen Vorgänger. Auch in der Lehre von Johannes Paul II. über die Ehe nimmt es eine dominierende Stellung ein. Sexualität und Ehe, deutlich in perso-nalisti-scher Perspektive interpretiert, sind in der Tat das Thema einer langen Katechese, die der Papst in den er-sten Jahren seines Potifikats gehalten hat [4]. Seit die-ser Zeit begegnet das Thema immer wieder. Als Resultat kann man festhalten - und das scheint heute aus-ser Frage -, dass sich das personalistische Verständnis der Ehe im Lehramt durchgesetzt hat.
II. Das personalistische Verständnis der Ehe und der Codex Iuris Canonici
Gegen vereinzelten Widerstand ist das personalistische Verständnis der Ehe auch im Kirchen-recht vorangekommen, in einer Disziplin, die viele als die 'konservativ-ste' innerhalb des kirchlichen Fächerkanons betrach-ten. Eine der bedeutungs-vollsten Ver-änderungen, die in den neuen Codex von 1983 Eingang gefunden haben, besteht in der Definition des Objekts des Ehekon-senses. Dieses Objekt besteht nicht mehr, wie im Codex von 1917, in der ge-genseitigen Übertragung des 'ius in corpus' mit seinem physizistischem Bei-klang, vielmehr besteht es nun in jenem "Wil-lensakt, durch den Mann und Frau sich in einem unwider-ruflichen Bund ge-genseitig schenken und anneh-men, um eine Ehe zu gründen" (can. 1057 2). Hier tritt das grundlegende personalistische Konzept der Ehe im Sinne des 'Sich-Schenkens' (se tradere) zu Tage. Doch muss man hin-zufü-gen, dass die Rechtswissenschaft nicht wenig Zeit des Nachdenkens benöti-gen wird, bevor sie in zufriedenstellender Weise den Inhalt und die genauen Kon-sequen-zen dieses personalistischen Verständnisses in rechtlichen Termini aus-drücken können wird. Die Auswirkungen der personalistischen Konzeption findet man in verschiede-nen Kanones, die den Ehekonsens betref-fen, beispielsweise in can. 1098 (arglistige Täuschung), in can. 1103 (schwere Furcht) oder schliesslich in can. 1095. Besonders ausgeprägt findet sich die personalisti-sche Konzeption im ersten Kanon über das Ehesa-krament, in wel-chem die Natur und die Finalität der Ehe be-schrieben werden: "Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begrün-den, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommen-schaft hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakra-men-tes erhoben" (can. 1055 1).
Hier im CIC 1983, den Johannes Paul II. als "das letzte Dokument des 2. Vati-kanischen Konzils" bezeichnet hat (Vgl. AAS 76 (1984), S. 644), wird eine Kurzformel von höchster Be-deu-tung gegeben, die nicht nur eine lehramtliche Anwendung der Konzils-aussagen darstellt, son-dern eine Weiterentwicklung des personalistischen Verständnisses der Ehe, wie es in der Pasto-ral-konstitution Gaudium et Spes enthalten ist. Vor allem muss die Weiterent-wick-lung hin zur Festlegung zweier Ehezwecke deut-lich hervorgeho-ben wer-den [6]. Die Pastoralkonstitution enthält demgegenüber die eher vage Aussage, die Ehe besitze abgesehen von der Zeugung 'verschie-dene' und 'vielfältige' Zwecke (Vgl. Gaudium et Spes, Nr. 48, 50).
Was uns an dieser Definition oder Beschreibung der Ehe besonders interes-siert, ist die Einführung des eminent personalistischen Begriffs des 'Wohls der Ehegatten', des bonum coniugum [7]. Gemeinsam mit der Zeugung und Erzie-hung der Kinder wird das Wohl der Ehegatten nunmehr als Zweck der Ehe vorge-stellt. Es ist wichtig, sich gegenwärtig zu halten, dass wir es hier mit einem neuen Begriff zu tun haben, der sich in der einschlägigen Literatur höchst selten findet, bevor er 1977 ins Schema des neuen Kodex aufgenommen wurde.
Nach längerer Debatte über die Möglichkeiten, den oder die personalen bzw. personalistischen Zwecke der Ehe auszudrücken, wählte die für die Revision des CIC zuständige Kom-mission schliesslich den Begriff des 'bonum coniu-gum' (Vgl. Communicationes IX (1977), S. 123). Es muss ange-merkt werden, dass die Kommission zuerst vom 'bo-num coniugum' sprach, um den 'finis personalis' der Ehe auszudrücken. Einige Kommentatoren haben sich dieser Formulierung bedient, um zu unter-stellen, die Kommission habe mit 'bonum coniugum' die subjektiven Ziele der Ehegatten ausdrücken wollen. Wäre man mit dieser Interpretation einverstan-den, hätte das 'bonum coniugum' den Sinn eines 'finis' oder von 'fines operantis' erhal-ten: Liebe, Geborgen-heit, Glück, persönliche Erfüllung usw. Gerade um den Begriff 'bonum coniu-gum' gegen einige Kritiken zu verteidigen, hat die Kom-mission etwas später diese Inter-pretation zurückgewiesen, indem sie deutlich gemacht hat, dass der 'finis personalis' im objektiven, nicht im subjektiven Sinn zu verstehen sei: "Die Hinordnung der Ehe auf das 'bonum coniugum' ist ein wesentliches Ele-ment des Ehebundes und nicht ein subjektives Ziel der Person, die heira-tet" (Communicationes XV (1983), S. 221). Es ist also wesentlich, sich gegenwärtig zu halten, dass der Begriff 'bonum coniu-gum' sich auf den 'finis operis' und nicht auf den 'finis operantis' bezieht. Er bezieht sich also auf den in der Ehe enthalte-nen Dynamismus, auf die Zwecke, die die Ehe besitzt, und nicht auf diejenigen Zwecke, die die konkreten Personen, die heiraten, anzielen [8].
III. Die Ehezwecke
Wir haben gesehen, dass Gaudium et Spes in der Spezifikation der Ehe-zwecke nicht hinreichend deutlich ist. Dennoch ist es interessant, die Fuss-noten in der Pastoralkonstitutuion zu untersuchen, die sich auf die Aussage beziehen, Gott habe die Ehe mit 'verschiedenartigen Gütern und Zielen' ausge-stattet. Zuerst wird auf De bono coniugali des hl. Augustinus verwiesen, und zwar genau auf jene Abschnitte, in denen er seine Lehre von den drei 'Gü-tern' der Ehe entwickelt: 'fides, proles, sacramentum'. Dann folgt der Hinweis auf das Supplementum (Vgl. Supplementum, q. 49, art. 3 ad 1), wo der hl. Thomas die Augustinischen 'Güter' kom-mentiert. An dieser Stelle bekräftigt Thomas, dass Nachkommenschaft ein Zweck der Ehe sei.
Gaudium et Spes stellt sich in die Linie der Tradition der Kir-che, bekräf-tigt sie und erklärt zwei Mal, dass Ehe und eheliche Liebe ihrer Natur nach auf Fortpflanzung als ihr Ziel hingeordnet sind. Es erstaunt hin-gegen die Tatsa-che, dass die Konstitution nirgends den personalen [oder personalisti-schen] Zweck nennt, auf den die Ehe hingeordnet ist. Abgesehen davon, dass die Nr. 48 und 49 vom persona-listi-schen Verständnis geprägt sind, enthält die Kon-stitution keinen Satz oder keine Formu-lierung, auf-grund derer man sagen könnte, sie bringe den personalistischen Zweck mit der gleichen Klarheit zum Aus-druck, wie den prokreativen. Es gibt in Nr. 48 einen kurzen Satz, der an den 'Sekundärzweck' des 'mutuum adiutorium' erinnert, und diesen ohne Zwei-fel zum Ausdruck bringen will: "Darum gewähren sich Mann und Frau, ..., in inniger Verbundenheit der Personen und ihres Tuns gegenseitige Hilfe und gegenseitigen Dienst...". Es wird hier jedoch weder gesagt, worin 'mutuum adiutorium' besteht, noch welche letzte Finalität es besitzt. Ich glau-be, dass eine Spur, um die Natur des personalistischen Zwecks zu finden, schon in der Aussage enthalten ist, dass die 'verschiedenen' Zwecke der Ehe von höchster Bedeu-tung seien für den persönlichen Fortschritt jedes einzelnen Familienmit-glieds und seines ewi-gen Heils. Wir kommen darauf im folgenden Abschnitt IV. zu-rück.
Unterdessen halte ich es aber für notwendig anzuerkennen, dass eine einfache Lektüre von Gaudium et Spes nicht mit Klarheit den personalistischen Sinn des 'bonum coniugum' deutlich machen kann. Denn es ist eine Tatsache, dass die konzise For-mulie-rung des can. 1055, dass die Ehe auf das Wohl der Gatten hingeordnet ist, in den Dokumenten des Konzils nicht auffindbar ist und dass es somit aufgrund allein dieser Dokumente nicht einfach ist, sich Klarheit über die Bedeutung dieser Formulierung zu verschaffen.
Dieser Mangel an wünschenswerter Klarheit kann vielleicht die Tatsache er-klären, dass einige (auf der Basis diskutierend, dass man nur einen primären Zweck ange-ben könne) dafürhalten, dass das Konzil faktisch keine wirkliche Modifikation der vorherigen Lehre gebracht habe hinsichtlich der Unterschei-dung und der Hierarchie der primären und sekundären Ehezwecke. Dennoch ist es eine Tatsache, dass das Konzil entschieden den Ausdruck Hierarchie vermeiden wollte, da es ihn im Kontext einer pastoralen Unterweiseung als "zu technisch" betrachtet hat (Vgl. Acta Synodalia, vol. IV, pars VII, S. 478; vgl. ebd. S. 472. und pars VI, S. 487). Eine ziemlich verbreitete Ansicht ist es, dass die Lehre von der Hierarchie der Zwecke ersetzt worden sei durch eine neue Lehre, nach welcher zwei Zwecke von gleicher Bedeutung vorlägen: der pro-kreativ-institu-tionelle und personalistische.
Andere bezweifeln nicht, dass die lange Debatte der letzten Jahrzehnte eine ungerechtfertigte und bedauerliche Spannung und Entgegensetzung zwischen den verschiedenen Zwecken und Aspekten der Ehe geschaffen hat. Sie meinen, dass es die Absicht des Konzils gewesen sei, diese Art der Gegenüber-stel-lung zu überwinden und die wesenhafte Einheit dieser Aspekte zu zeigen. So wird beispielsweise gesagt: "Das 2. Vatikanische Konzil hat versucht, den personalen und den institutionellen Aspekt neu zu einer Einheit zu ordnen, aufgrund der die eheliche Liebe nicht von der Fortpflanzung getrennt werden darf" (A. FAVALE, Fini e Valori del Sacramento del Matrimonio, Roma 1978, S. 203. P. BARBERI beschreibt den Text von Gaudium et Spes, Nr. 48, als "Synthese der beiden Perspektiven: der rechtlich-institutionalen und der menschlich personalistischen", in: La celebrazione del matrimonio cristiano, Roma 1982, S. 119).
IV. Zwei untereinander verbundene institutionelle Zwecke
Persönlich halte ich die Debatte über die Hierarchie der Ehezwecke nicht für gewinnbringend, und so bin ich der Auffassung, dass man sie besser ver-meidet. Unsere Aufmerk-samkeit muss sich vielmehr auf die Verbundenheit und Un-trennbarkeit der Zwecke richten, was wesentlich wichtiger ist. Bevor wir uns damit befassen, verlangt ein ande-rer Aspekt eine Klärung. Es besteht nämlich eine grundlegende Kategorienverwechslung, die die Diskussion über das Thema stets begleitet hat und die fortfahren wird, Missverständnisse zu erzeugen, wenn sie nicht erkannt und vor allem korrigiert wird.
Sowohl jene, die auf der gleichen Würde der Ehezwecke beharren, als auch jene, die fortfahren, die These einer hierarchischen Unterordnung zu ver-teidigen, wie schliesslich auch jene, die - wie eben zitiert - die Einheit der Zwecke unterstreichen möchten, diese alle neigen dazu, die Zwecke einander gegenüberzustellen oder sie einfach zu unterscheiden, wie wenn ein Zweck (der prokreative) der institutionale, der andere der personalistische Zweck (das 'bonum coniugum') wäre.
Meiner Meinung nach muss man einen derartigen Kontrast entschieden zurück-weisen. Beide Zwecke - der prokreative und der personalistische - sind in-stitutionelle Zwecke !
Das bedeutet (und es ist wichtig, das zu verstehen [9], dass beide aus dem Institut der Ehe selbst hervorgehen. Mit anderen Worten: Die Ehe besitzt zwei institutionelle Zwecke.
Unter institutionellen Zwecken versteht man jene Zwecke, die bei der Schaf-fung dieses Instituts festgesetzt wurden oder anders ausgedrückt jene, die ihm von dem beigelegt wurden, der es geschaffen oder ins Leben gerufen hat, also von Gott selbst. Deshalb muss die Absicht Gottes, wie sie uns ur-sprünglich offenbart wurde, am Anfang unserer Untersuchung über die Zwecke der Ehe stehen, zu deren Erreichung diese eingesetzt wurde.
Es scheint mir, dass man in der Geschichte der Erforschung unseres The-mas einer Tatsache wenig Beachtung geschenkt hat, die für jene, die in der Schrift den Schlüssel für die Erkenntnis des Willens Gottes suchen, sehr faszinierend sein müsste: Der Tatsache, dass das Buch Genesis in den ersten beiden Kapiteln zwei verschiedene Berichte über die Schöpfung des Menschen als Mann und Frau und über die Einsetzung der Ehe enthält. Der erste Be-richt drückt deutlich die prokreative Finalität aus, während der zweite mit gutem Grund als personalistisch bezeichnet werden darf. Der erste, auch 'elohistisch' genannte Bericht, sagt es so: "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und Gott sagte zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch,..." (Gen 1, 27.28). Der andere, jahwistische Text, für den man eine frühe-re Entstehungszeit annimmt, lautet: "Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht". So schuf Gott die Frau. Der Bericht fährt dann fort: "Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch" (Gen 2, 18-24).
V. Die beiden biblischen Berichte über die Einsetzung der Ehe
Man muss kein Bibelexperte sein, um sagen zu können, dass dieser doppelte Bericht nicht 'zufällig' ist, noch dass er einem 'lapsus calamae' des Heiligen Geistes angelastet werden muss. Es ist weder gerecht-fertigt, die Existenz zweier Berichte dem Zufall zuzuschreiben, noch ihren Zusammenhang rein äusserlich zu nennen. Vielmehr haben wir es hier mit etwas Gewolltem zu tun. Beide Berichte verhalten sich zueinander komplemen-tär, sie sind mitein-ander verbunden, um den göttlichen Plänen zu entsprechen, gemäss denen die in-stitutionelle Finalität der Ehe sowohl eine prokreative als auch eine persona-listische Seite hat.
Im elohistischen Bericht wird die relative Vollendung des Menschen unter-strichen. Er ist nach dem Abbild Gottes geschaffen und ist deshalb erhaben-ster sichtbarer Ausdruck dafür, dass Gott alles 'gut' erschaffen hat. Die Unterscheidung der Geschlechter ("als Mann und Frau schuf er sie") erscheint als ein Schlüssel zur Aufgabe des Fortführung der Schöpfung; eine Aufgabe, die der Mensch durch die Fort-pflanzung verwirklicht. Die Idee der Güte dieser ihm übertragenen Aufgabe charakterisiert den elohistischen Bericht.
In der jahwistischen Version wird mehr die Unvollständigkeit des Menschen unterstrichen. Der Mensch (Mann oder Frau) ist unvollständig, wenn er oder sie allein bleibt; und das ist nicht gut: "non est bonum". Der normale Plan Gottes besteht darin, dass der Mensch die 'Gutheit', die ihm mangelt, in der Gemeinschaft mit einem Mitglied des anderen Geschlechts findet. Diese Gemein-schaft soll dann zum Wohl jedes der beiden führen, eben zum 'bonum coniu-gum'.
Aufgrund der Schrifttexte ist also ersichtlich, dass der Plan Gottes be-züglich der Ehe ebenfalls einen personalistischen Charakter besitzt. Die Ehe ist von ihrer Grün-dung her nicht allein durch die ver-antwor-tete Eltern-schaft auf das Wachs-tum des Menschenge-schlechts ange-legt, son-dern sie ist auch auf das 'Wachstum' der Menschen, die heiraten, auf ihren Fort-schritt und ihre Voll-endung hin-sichtlich ihrer Bestim-mung als Perso-nen ange-legt.
Wenn es also nicht gut ist, dass Mann oder Frau ohne Gefährten sind, dann stellt sich die Frage, welches das Gut, das wahre 'bonum coniu-gum' ist, das Gott meinte, als er die Ehe als Gemein-schaft der Zusammenarbeit und ge-schlechtlichen Beziehung einrichtete. Wel-che Art von Hilfe ('adiutori-um') sollte der eine für den anderen ge-mäss dem Willen Gottes sein? Dachte er nur an ein 'solacium' in diesem Leben und an nichts anderes? War er nur um das zeitliche Wohl des Men-schen be-sorgt? Es scheint vernünftig anzuneh-men, dass die göttliche Perspek-tive weiter reicht.
VI. Die Natur des 'bonum coniugum'
Natur und Endziel des Beistands, den die Ehegatten einander geben sollten, haben die umfassende Vervollkommnung der menschlichen Person zum Inhalt, die ja zu einem ewigen Leben berufen ist. Darin besteht das authenti-sche 'bonum coniugum'. Diese These kann sich stark auf das neuere Lehramt stüt-zen.
Die vor wenigen Jahren erschienene offizielle Ausgabe des Codex Iuris Canonici, die auch die Quellen der einzelnen Canones angibt (Codex Iuris Canonici [Fontium annotatione auctus], Città del Vaticano 1989), nennt als haupt-------------sächli-che Quelle des can. 1055 die Enzyklika Casti Connubii. In dem oben zitierten Ab-schnitt aus dieser Enzyklika können wir jene Worte finden, die meiner Meinung nach das Wesen des 'bonum coniugum' beschreiben. Pius XI. besteht dar-auf, dass Familigemeinschaft "nicht nur die ge-genseitige Hilfe-lei-stung bedeutet. Sie muss auch, und zwar in erster Linie, darauf abzielen, dass die Gatten einander behilflich seien, den inneren Menschen immer mehr zu gestalten und zu vollenden. So sollen sie durch ihre Lebensgemeinschaft in den Tugenden immer grössere Fortschritte machen, vor allem in der wahren Gottes- und Nächstenliebe wachsen, in der schliesslich doch das ganze Gesetz und die Propheten bestehen" (AAS 22 (1930), S. 548). Pius XI. scheint hier zu be-kräf-tigen, dass die Inter-pretationen, wie traditionell sie auch seien, ungenü-gend sind, gemäss denen das 'mutuum adiutori-um' nur in der physischen und psy-chischen Unter-stützung in den weltlichen Belangen be-steht. Das 'bo-num coniu-gum', das die Ehegatten einander schenken sollten, steht in Bezie-hung zum ewigen 'bo-num'. Es besteht also auch im Wachstum in der Tugend und in der Heiligkeit.
Diese These könnte noch von anderen Quellen gestützt werden, die zum can. 1055 angegeben sind. Hier ist (interessanterweise) die im Jahre 1951 gehaltene Ansprache Pius XII. eingeschlossen, in welcher vom "persönlichen Vervollkomm-nen der Ehegatten" als sekundärem Zweck der Ehe die Rede ist (Vgl. AAS 43 (1951), S. 848f). Auch Gau-di-um et Spes (Nr. 48) wird angegeben, genauso wie auch die Nr. 11 und 41 von Lumen Gentium und die Nr. 11 von Apostolicam Actuositatem. Gau-dium et Spes spricht vom menschlichen und übernatürlichen Wachstum der Ehegatten: "Dar-um gewähren sich Mann und Frau, ..., in inniger Verbundenheit der Per-sonen und ihres Tuns gegenseitige Hilfe und gegenseitigen Dienst und erfah-ren und vollziehen dadurch immer mehr und voller das eigentliche Wesen ihrer Einheit. ... Indem sie ihre ehelichen und familiären Verpflichtungen erfüllen..., sind sie in der Lage, immer mehr die eigene Vervollkommnung und die gegen-seitige Heiligung zu erreichen" (Nr. 48).
Dass die Ehe wesenhaft auf die Heiligung der Ehegatten hingeordnet ist, ist eine Schlussfolgerung, die sich aus der Sakramentalität der Ehe ableiten lässt. So verstanden ist das in der Enzyklika Casti connubii enthaltene perso-nalistische Verständnis nichts anderes als die Weiterentwicklung der Lehre des Konzils von Trient, gemäss wel-chem die Gnade (in der Ehe) darauf gerichtet ist, die "Liebe zu vollen-den,..., und die Ehegatten zu heiligen" [10]. Mit anderen Worten: Die sakramenta-le Gnade der Ehe bringt die Gatten zur Heiligkeit mit-tels der Ver-vollkommnung (im autentisch-sten Sinn) ihrer ehelichen Liebe [11.
VII. Gegenseitiger Beistand: gegenseitige Vervollkommnung?
Die klassische theologi-sche Tradition bietet leider nur wenige Anknüp-fungs-punkte für ein personalistisches Verständ-nis der Ehe. Wir haben schon auf das gerin-ge Inter-esse verwiesen, das dem Aspekt des 'mutuum adiutorium' ent-gegenge-bracht wurde, ebenfalls auf den geringen Inhalt, den man ihm zuge-standen hat. Bis zum 12. Jahrhunderts erwähnen die Theologen den Begriff bei-spiels-weise kaum. Und wenn sie es dennoch tun, handelt es sich im all-gemei-nen um einen nicht weitergeführten Hinweis auf das 'humanitatis solaci-um' des hl. Augustinus [12]. Es bleibt nur die staunens-werte Tatsache, dass die Formel 'mutu-um adiutorium', obwohl sie deutlich in der Schrift verwurzelt ist ("Faciamus ei adiutorium simile sibi", Gen 2,18), in der Geschichte von Seiten der Theologen so spärlich beachtet wor-den ist.
Die Position des hl. Thomas von Aquin verdient eine besondere Erwähnung. Auf die für das 20. Jahrhundert typische Frage, ob der Aqui-nate der Se-xuali-tät als solcher eine Aufgabe in der Verwirkli-chung der menschlichen Person zuspricht, lautete die Antwort sicher, dass er, anderen mittelalter-lichen Auto-ren gleich, überhaupt nie in solchen Be-griffen gedacht hat (Vgl. M. -J. NICOLAS, Remarques sur le sens et la fin du mariage, in: Revue Thomiste 45 (1939), S. 792).
Folgt daraus, dass er sich ausser bezüglich der rein prokreati-ven Sphä--re nie mit der gegenseitigen Bereicherung befasst hat, die in der komplemen-tären Bezie-hung vom Mann und Frau enthalten ist und die bei der Reifung der Person eine Rolle spielt? Um diese Frage gerecht zu beantworten, ist es erfor-derlich, sich dem Reichtum der Ansätze im Denken des hl. Tho-mas zuzuwenden, wie er in seinen Hauptwerken enthalten ist. Es wird sich dann zeigen, dass diese einige Elemente eines personalisti-schen Verständnisses der Ehe enthalten.
Mit besonderem Bezug auf den jahwistischen Bericht im Buch Genesis spricht er von einer speziellen Freundschaft, die es zwischen Mann und Frau gibt: "Nun ist zwischen dem Mann und seiner Gattin die Freundschaft offenbar die grösste; denn sie vereinigen sich nicht nur im Akte der fleischlichen Verbindung, die selbst bei den Tieren zu einer gewissen zärtlichen Freund-schaft führt, sondern sie vereinigen sich auch zur Gemeinschaft des ganzen häuslichen Lebens. Zum Zeichen hierfür verlässt daher auch der Mann um der Gattin willen sowohl Vater wie Mutter, wie es im Buch Genesis (2,24) bemerkt wird" [13]. Zustimmend zitiert er Aristoteles: "Wie der Philosoph im ach-ten Buch der Ethik sagt, besteht die Freundschaft zwi-schen Mann und Frau von Natur aus und schliesst in sich das 'hone-stum', das 'utile' und das 'delec-tabile'" [14]. Weiter lehrt er: "Die Form der Ehe besteht in der untrenn-baren Vereinigung der Seelen, durch die beide Ehegatten gehal-ten sind, ein-ander unverbrüchlich die Treue zu halten" [15]. An anderer Stelle lehrt er, dass es "in der Ehe nicht nur eine körperliche Ver-bindung gibt, sondern auch eine geist-li-che" ("In matrimonio non est tantum coniunctio corporalis, sed etiam spiritualis.", Suppl., q. 56, art. 1 ad 3).
Weiter lehrt Thomas der Mensch neige naturgemäss zur Ehe, nicht nur wegen der Kinder, sondern auch der "gegenseitigen Hilfe der Ehegatten im Leben der Familie" wegen. Er stellt die Verschiedenheit der Geschlech-ter als besonderen Ausdruck dafür dar, dass der Mensch auf die Hilfe anderer ange-wiesen ist: "So wie nämlich die natürliche Vernunft den Menschen gebietet, zusam-men zu leben, weil sich einer allein in den Anforderungen des Lebens nicht ge-nügt, (weswegen man vom Menschen sagt, er sei von Natur aus ein politisches Lebewesen), so sind in den Dingen, die zum mensch-lichen Leben gehören, manche Aufgabe den Männern aufgetragen, manche den Frau-en. Deshalb rät die Natur zu einem Zusammenleben von Mann und Frau; darin besteht die Ehe" [16].
Ein Abschnitt des 'Supplementum' zeigt, dass nach Thomas' Meinung die Rolle der Ehefrau als Helferin des Mannes nicht eine untergeordnete ist, son-dern dass sie sich mit dem Ehemann auf der selben Ebene befindet, als seine 'Ge-fährtin': "In Bezug auf des sekundäre Ziel der Ehe, das in der Leitung der Fami-lie und dem gemeinsamen Tragen der Arbeitslast besteht, ist die Frau mit dem Ehemann als Ge-fährtin vereint" ("Quantum ad secundum finem, qui est dispensatio familiae et communicatio operum, uxor coniungitur viro ut socia.", Suppl. q. 65, art. 5). Er un-ter-streicht die Tatsache, dass die Ehe nicht allein im Dienste der Fortpflan-zung steht, sondern andere, mehr personali-stische Zwecke enthält: "Die Menschen heiraten nicht nur, um Kinder zu zeu-gen und zu erziehen, sondern auch um sich in einem Leben in Gemein-samkeit bei der Arbeit zu helfen." So stellt sich die Frage, ob diese 'operum communica-tio', diese gegenseitige Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau, nicht auch als ein 'bonum matrimonii' beschrieben werden könnte, das mit dem 'bonum prolis' auf einer Stufe steht: "Wie man folglich die Nach-kom-menschaft unter die Güter der Ehe zählt, so sollte man [scheint es] auch den ge-gen-seitigen Bei-stand dazuzäh-len" (Ebd. q. 49, art. 2. Thomas weist diesen Vorschlag zurück. Im Gegensatz zu anderen Versuchen das 'bonum coniugum' als ein viertes 'bonum' zu betrachten, das an die drei traditionellen von Augustinus angehängt würde, können wir festhalten, dass der can. 1055 das 'bonum coniugum' gleich wie die Zeugung von Nachkommen als zu den Zielen der Ehe gehörend betrachtet, und nicht als eine ihrer Eigenschaften; vgl. C. BURKE, The Bonum Coniugum and the Bonum Prolis; Ends or Properties of Marriage? The Jurist, 49 (1989):2, 705-706; vgl. Apollinaris 62 (1990), S. 560f).
Es ist wichtig diese Texte weder überzubewerten, noch sie zu übergehen. Sie bieten eine Grundlage, auf der sich ein vertieftes Verständnis des 'gegen-seitigen Beistands' hätte ergeben können, was allerdings nicht geschehen ist. Ich wollte sie in Erinnerung rufen, nicht um die Tatsache in Zweifel zu ziehen, dass der prokreative Sinn der Ehe in diesen Jahrhunderten dominierend war, sondern einfach um anzudeuten, dass man auch in den Werken grosser klassi-scher Autoren gewisse Andeutungen für den ehelichen Personalismus finden kann (HUGO VON ST. VIKTOR (+1140) legt einige Ideen dar, die man als personalistisch betrachten kann). Der moderne Personalismus kann folglich rechtmässig für sich in An-spruch nehmen, dass er auf einer Tradition beruht, deren Weiterentwicklung er darstellt.
Man kann also festhalten, dass sich der Begriff des 'mutuum adiutorium' bei Thomas und allgemein bei seinen Nachfolgern auf die fundamentale natür-liche und irdische Dimension bezieht. Er steht damit in keiner oder nur locke-rer Bezie-hung zur übernatürlichen Zielsetzung, der persönlichen Heiligung des Men-schen als seines letzten Ziels.
Thomas und die anderen Autoren vor ihm, Augustinus eingeschlossen, besonders auch alle nach ihm, haben bis in unsere Tage den göttlichen Plan bezüglich des gegenseitigen Beistands so verstanden, als wenn dieser Beistand sich auf die Ange-le-genhei-ten allein dieses Lebens beziehen würde. Diese Inter-pretation scheint unangemessen zu sein.
Dieses unvollständige Verständnis ist offensichtlich bedingt durch die all-gemei-ne und schon lange bestehende Tendenz, die Ehe aus-schliesslich als ein 'offici-um' oder ein 'munus' aufzufassen. Von diesem Standpunkt aus ist es dann nicht möglich, die Ehe auch als Mittel zur persönlichen Ver-vollkomm-nung als Christ zu erfas-sen (Vgl. NICOLAS (Anm. 32), S. 779). Die Bedeutung des can. 1055 besteht genau darin, dass er die-ses be-schränkte Verständnis übersteigt, indem er unter-streicht, dass die Ehe nicht nur für die Fortpflanzung geschaffen wurde, sondern auch für das authenti-sche Wohl von Gatte und Gattin, so wie Gott es vorsieht.
VIII. Das 'bonum coniugum': umfassender als das 'mutuum adiutorium'
Es drängt sich die Frage auf, welcher Art die Beziehung zwi-schen dem 'mutu-um adiutorium' und dem 'bonum coniugum' sei. Können sie einfach mitein-ander identifiziert werden? Und wenn es sich so verhält, können wir dann sagen, dass der alte sekundäre Zweck in den Rang eines gleich-vorrangigen Zwecks erhoben worden ist? Auch wenn diese These den Anschein erweckt, logisch zu sein, steht ihr die Tatsache entgegen, dass Gaudium et Spes nir-gendwo vom 'mutuum adiutorium' als Zweck spricht (Es heisst in Nr. 48 lediglich, dass die Ehegatten sich gegenseitig Hilfe leisten, "mutuum sibi adiutorium... praestant"). Darüberhinaus haben die Konsulto-ren, die an der Erarbeitung des neuen Codex mitgewirkt haben, die scheinbar naheliegende Option, den personalistischen Zweck mit 'gegen-seiti-gem Beistand' auszudrücken, ignoriert und haben stattdessen den neuen Terminus 'bonum coniugum' gewählt [17].
Meiner Meinung nach umgreift das 'bonum coniugum' den traditionellen Inhalt des 'mutuum adiutorium', es wird von jenem absorbiert. Das 'bonum coniugum' ist also weiter gefasst. Dieser Punkt ist von nicht geringem Inter-esse, sofern man bedenkt, dass das Kirchenrecht die erste Disziplin des kirch-lichen Fächerkanons ist, die den Begriff des 'bonum coniugum' rezipiert und ihm einen offiziellen 'Status' verleiht. Dieser Terminus schliesst in sich einen solchen Reich-tum, dass er ge-eignet ist, fruchtbares Nachdenken in der theolo-gischen Forschung anzuregen.
So innovativ der Terminus 'bonum coniugum' auch erscheinen mag, seine Beglaubigung durch die Schrift ist genau so gültig wie diejenige des 'mutuum adiutorium'. Sie stammt aus demselben Abschnitt des Buches Genesis. Der Grund, warum dem Mann oder der Frau eine Hilfe beigegeben wurde, war genau der, dass es für den Menschen nicht gut war, allein zu sein: "Non est bonum esse homi-nem solum; faciemus ei adiutorium...". Die Helferin wurde ihm also gegeben zu seinem Wohl, zu seinem 'bonum'. Gott wollte, dass die Frau als Gattin dem Mann eine Hilfe sei für die Erreichung seines 'bonum' als Gatte. Gleichfalls soll der Mann als Ehegatte der Frau, seiner Gattin, eine Hilfe sein für die Errei-chung ihres 'bonum'. Das 'mutuum adiutorium' ist also klar auf das 'bonum coniu-gum' hingeordnet.
Es ist interessant, an dieser Stelle einen Abschnitt aus einer Schrift des hl. Augustinus zu zitieren. Er schreibt, dass Gott, nach der Erschaffung des Man-nes, "ihm die Frau als Hilfe geschaffen hat... damit auch der Mann durch die Frau verherrlicht werde, wenn sie ihm auf dem Weg zu Gott vor-angeht und sich ihm als nachzuahmendes Vorbild in der Heiligkeit und der Lie-be zeigt." ("Fecit illi etiam adiutorium feminam:... ut haberet et vir gloriam de femina, cum ei praeiret ad Deum, seque illi praeberet imitandum in sanctitate atque pietate", De catechizandis rudibus, c. 18, n. 29 (PL 40, 332)). So be-trachtet erscheint das 'mutuum adiutorium' als Ansporn für ein Voran-schrei-ten auf Gott zu in 'Heiligkeit und Liebe'. Die christlichen Auto-ren der ersten Jahr-hunderte haben ihre Betrachtungen nicht auf den Aspekt der Gegenseitig-keit der Bezie-hung zwi-schen Mann und Frau gelegt, wie sie durch Gott angelegt ist. Wir hingegen müssen diese Ausweitung vornehmen: So wie der Mann für die Frau, so ist auch die Frau für den Mann Hilfe und Ansporn, im gemeinsamen Bemü-hen auf Gott zuzuschreiten, in jenem grundle-genden 'bonum', dieser letzten 'Selbstver-wirklichung' zu wachsen, die in der per-sönli-chen Heilig-keit besteht.
Was soll man zum 'remedium concupiscentiae' sagen, das gemeinsam mit dem 'mutuum adiutorium' stets als eines der beiden sekundären Ehezwecke einge-ordnet wurde? F. Bersini hält dafür, dass es zusammen mit dem 'mutuum adiuto-rium' zusammen nunmehr im 'bonum coniugum' eingeschlossen sei (Vgl. F. BERSINI, Il Nuovo Diritto Canonico Matrimoniale, Torino 1985, S. 18). Ich ziehe es vor anzunehmen, dass der Begriff 'remedium concupiscentiae' vom katholi-schen Denken endgültig verlassen worden ist.
Auch wenn es unmöglich ist, die Kraft der theologischen Tradition zu ne-gieren, die die Ehe als ein Sakrament der 'Heilung' betrachtet hat, das zu-mindest teilweise eingesetzt war als Heilmittel gegen die Sünde und weniger als Hilfs-mittel zum Wachstum in der Tugend [18], so kann man den Wert dieser Tradition in Zweifel ziehen. Sie neigte während Jahrhunderten in unge-recht-fertigter Weise dazu, von der Konkupiszenz zu spre-chen als sei diese ein-fach-hin ein Synonym für Geschlechtstrieb. Dieser, als solcher betrach-tet, ist völlig gut und bedarf keines 'Heilmittels'. Es ist der seit der Ursünde vorhan-dene Aspekt der Ungeordnetheit dieser Anlage, der genau-genommen mit Kon-kupis-zenz defi-niert wird. Wenn die Konkupiszenz weder mit der Lust noch mit der Lei-den-schaft verwechselt werden darf, sondern eine Unordnung in-nerhalb beider darstellt, so ist nicht die Ehe, sondern die Keuschheit (die eheliche Keuschheit inbegriffen) das richtige Heilmittel für diese Unordnung (Vgl. mein Aufsatz St. Augustine and Conjugal Sexuality, in Communio 1990-IV, S. 545-565; vgl. Annales Theologici 5 (1991), S. 192ff). Die Sexualität als solche betrach-tet bedarf keines Heilmittels; ihre Ungeord-netheit, die Konkupis-zenz, hingegen schon. Die Ehe ist der legitime Ort der Sexualität, jedoch nicht für die Kon-kupiszenz, welche gereinigt, nicht legitimiert werden muss. Genau diese Reinigung ist Aufgabe der Tugend der Keuschheit.
Der Gebrauch des Begriffs 'remedium concupiscentiae' hat sehr negative Aus-wirkungen gehabt, und er scheint das Vergessen, in das er nun schnell gerät, verdient zu haben [19]. Schon vor dem Konzil haben einige Autoren nach ande-ren Begriffen für das 'remedium concupiscentiae' gesucht [20]. Anzumerken bleibt noch, dass weder das Konzil noch der CIC diesen Begriff verwen-den.
IX. Die Anforderungen einer personal gelebten Ehe
Einige Autoren erklären, dass das 'bonum coniugum' in der psychischen, affekti-ven, physischen oder sexuellen 'Integration' der Ehegatten bestehe. Diese Einschätzung erscheint vom christlichen Standpunkt aus gese-hen unan-ge-messen, nicht nur deshalb, weil sie das Wohl der Gatten im über-natürlichen Sinn ausser Acht lässt, sondern auch weil sie das 'bonum coniu-gum' auf eine Frage der natürli-chen 'Kompatibilität' reduziert. Ausgehend von diesem Stand-punkt ist es leicht zu verstehen, dass eine an-scheinende Unver-einbarkeit dem Wohl der Ehegatten abträglich ist. Dagegen zeigt die pastorale Erfahrung, dass viele Ehen, gerade harmonische, von Gat-ten mit sehr ver-schiedem oder offen-sichtlich gegen-sätzlichem Charakter geführt werden. Diese Ehen hätten unver-träglich werden können, wenn die beiden Gatten nicht mit einer Anstren-gung, die sie hat reifen lassen, be-schlossen hätten, dass es dazu nicht kom-men darf.
Ebenfalls steht es nicht im Einklang mit dem christlichen Verständnis des wahren Wohls der menschlichen Person, das 'bonum coniugum' mit dem Errei-chen eines angenehmen Lebens, das ohne Sorgen und Probleme ist, zu identifi-zieren. In der Tat wird man das Wohl der Ehegatten im christlichen Sinn schwerlich verstehen können, wenn nicht als Ergebnis des Verpflichtungs-charakters des Ehebundes.
Das erklärt, warum Interpretationen nicht akzeptabel sind, die im eheli-chen Personalismus nur eine erneute Anerkennung der Würde der Liebe zwi-schen den Ehegatten sehen möchten. Diese Interpretationen bleiben allzu sehr an der Oberfläche des Problems, besonders jedoch dann, wenn auf den 'Rechten' oder Erwartungen der Liebe insistiert wird, und nicht, wenigstens im gleichen Masse, auch auf deren 'Pflichten' und Anforderungen. Eine wahrhaft personal gelebte Ehe zielt auf die Reifung der Person und besteht in der Verpflichtung zu einer Ehe - mit ihren Anforderun-gen einer treuen und geheiligten Liebe-, die die Ehegatten zu einer vollen personalen Reifung führt: zu ihrer Heili-gung, in der das authentische und definitive 'bonum' besteht.
Ich habe andernorts die moderne Tendenz beschrieben (Vgl. C. BURKE, Covenanted Happiness: Love and Commitment in Marriage, Ignatius Press, 1990 S. 42ff), in den 'bona' des hl. Augustinus nicht zuerst 'Werte' und 'Güter' der Ehe zu sehen, sondern eher die gewichtige Verpflichtung, die sie mit sich bringen. Dies gilt vor allem für das 'bonum sacramenti' (die Unauflöslichkeit), und für das 'bonum prolis' (die Kinder). Es ist wahr, dass die Annahme dieser Güter ein langan-dauerndes Bemühen erfodert. Dennoch ist es auch wahr, dass diese Anstren-gung, einmal abgesehen davon, dass sie Quelle des Glücks ist, eine tiefgreifen-de Reifung der Personen bewirkt, die sie auf sich nehmen.
Casti Connubii folgend lehrt Gaudium et Spes, dass das heilige Band "im Hin-blick auf das Wohl der Gatten und der Nachkom-menschaft sowie auf das Wohl der Gesellschaft nicht mehr menschlicher Will-kür" unterliegt (Nr. 48. Vgl, Casti Connubii, AAS 22 (1930), S. 553). Die Un-auflös-lichkeit dient also dem 'bonum coniugum'. Entscheidend ist also, dass An-stren-gung und Opfer, die die Treue gegenüber dem unauflösli-chen Cha-rak-ter des Ehebandes fordert, in glücklichen und unglück-lichen Lebens-lagen dazu dienen, die Persönlichkeit der Ehegatten zu entwickeln und zu vervollkomm-nen. Auch die Nr. 50 von Gaudium et Spes muss unter diesem Gesichtspunkt gelesen werden, wenn es dort heisst, dass "die Kinder auch zur Heiligung der Ehegat-ten beitragen". Die Kinder bereichern das Leben der Ehegatten in vielerlei Weise nicht zuletzt durch die grosszügige Hingabe, die sie bei ihren Eltern zu wecken vermögen.
Es ist eine Tatsache, dass es für zwei Menschen nicht einfach ist, in einer treuen und fruchtbaren Einheit das ganze Leben lang zusammen zu leben. Es ist für jeden 'einfacher', getrennt zu leben, oder sich gelegentlich oder für eine kleine Weile zu binden, oder die Empfängnis von Kindern zu verhindern. Es ist einfacher, macht aber nicht glücklicher und trägt noch weniger zur Rei-fung der Persönlichkeit bei. "Non est bonum homini esse solus": Es ist nicht gut, dass der Mensch allein lebt, oder in einer Serie von kurzen Be-kannt-schaften, die dazu neigen, ihn immer mehr in egoistischer Isolierung gefangen zu halten. Den Anforderungen der Ehe zu entsprechen, ist kein leichtes Unterfangen. Aber einmal abge-sehen davon, dass es ein glückliches Unter-fangen ist, lässt es auch reifen. Es gibt keine in authentischer Weise personal gelebte Ehe, die es übergeht oder nicht schafft, den positiven Sinn des Ehe-ver-spre-chens zu verstehen oder zu unterstrei-chen.
Johannes Paul II. spricht im Apostolischen Schreiben Familiaris Consortio von der Unauflöslichkeit wie von etwas Heiterem, das die Christen der Welt ver-kündigen sollten: "Es ist notwendig, die frohe Verheissung der Endgültig-keit der ehelichen Liebe zu betonen" (Familiaris Consortio, AAS 74 (1982), S. 103 (Nr. 20)). Wenn diese Aussage heute viele Men-schen überrascht, zeigt das, wie weit die gegenwärtige Gesellschaft davon entfernt ist, den göttlichen Willen bezüglich des Wohls des Menschen zu ver-stehen.
Zweifellos gibt es zahlreiche Situationen in der Ehe, in denen aufgrund einer rein menschlichen Analyse das Wohl der Ehegatten nicht erreicht werden konnte oder erreicht werden kann. Beispielsweise ist das dann der Fall, wenn ein Ehepartner seinem Eheversprechen abschwört und den anderen verlässt. Macht es Sinn, in diesem Fall vom 'bonum coniugum' zu sprechen?
Zugegeben, im Falle des untreuen Ehepartners ist es schwierig zu sehen, wie die Ehe ihm ermöglichen könnte, sein 'Wohl' (bonum) zu erreichen. Ande-rer-seits kann es dem anderen eminent helfen, wenn er dem Eheband treu bleibt. Darüberhinaus kann diese Treue gemäss den Plänen der göttlichen Vorsehung für den untreuen Ehegatten wie ein Ruf zur Umkehr sein, wie eine heilende Kraft, die ihm vielleicht im letzten Augenblick seines Lebens zukommt, dann, wenn über das endgültige 'bonum' jedes einzelnen entschieden wird.
Die Tatsache, dass die Sinnhaftigkeit solcher Situationen nur im Licht der christlichen Herausforderung des Kreuzes erfasst werden kann, macht die Analyse nicht wertlos. Wenn es darüberhinaus wahr ist, dass in manchen konkreten Fällen diese Chance nicht wahrgenommen wird, so zeigt sich darin das Wagnis und das Geheimnis der mensc-hlichen Freiheit.
X. Das personalistische Verständnis der Geschlechtlichkeit und der Frucht-barkeit
Wenn es ein Irrtum ist, den institutionellen Charakter des personalisti-schen Ziels der Ehe nicht zu beachten, so ist es noch schlimmer, den personalisti-schen Charakter der ehelichen Fruchtbarkeit nicht anzuerkennen. Es zeugt von einem grundsätzlich unvollständigen Verständnis der Ehe, wenn bezüglich deren prokreativem Aspekt in verächtlicher Weise von 'Biologismus' gesprochen wird. Nichts vermag in so einmaliger Weise die eheliche Gemeinschaft und den Wunsch nach Einheit der Ehegatten auszudrücken wie der eheliche Akt, wenn er auf seine prokreative Sinngebung hin offen ist. Was ist letztlich der Grund dafür, dass der Ge-schlechtsverkehr der Ehegatten 'ehelicher Akt' genannt wird? Was daran macht diesen Begriff so einzigartig unter den Begriffen, mit denen die eheliche Liebe ausgedrückt werden kann, dass er in so besonderer Weise in der Lage ist, das Verlangen nach Einung auszudrücken? Letztlich ist es die Tatsache, dass dieser Begriff das Schenken und die Annahme des Keims des Lebens aus-drückt. Die Ehegat-ten drücken in einmaliger Weise ihre gegen-seitige Liebe aus und vereinen sich so, indem jeder zum anderen sagt: "Durch diesen Akt will ich gemeinsam mit dir, und nur mit dir allein, jene so einzig-artige Vollmacht teilen, die Gott uns gegeben hat: Die Vollmacht, ein Teil unse-res Lebens zu-sammenzuschmelzen ("Parentes diligunt filios eo quod sunt aliquid ipsorum. Ex semine enim parentum filii procreantur. Unde filius est quodammodo pars patris ab eo separata", Thomas von Aquin, In VIII Ethic., lect. 12), sodass daraus ein neues Leben hervor-geht, unser Kind, der lebendige Ausdruck und die Frucht unserer Vereinigung und unserer Liebe". Die Vereinigung der Ehegatten 'in einem Fleisch' ist darauf hingeord-net, sich in einem neuen Individuum zu inkarnieren als Spiegel und Ausdruck ihrer Gemeinschaft und ihrer ehelichen Liebe (Vgl. Covenanted Happiness (Anm. 50), S. 36-37f).
Die wahre Vereinigung freier Personen impliziert immer den Aspekt des Schen-kens. Im Fall des ehelichen Aktes ist diese Beziehung geeint kraft des absolut ein-maligen Charakters des Schenkes, den dieser mit sich bringt: das Geschenk der Zeugung. Daraus folgt die innere Untrennbarkeit, die zwischen dem uniti-ven und dem prokreativen Aspekt des ehelichen Aktes besteht (Vgl. Humanae Vitae, 12).
Ein Akt, bei dem Empfängnisverhütung angewandt wird, widerspricht einem perso-nalen Verständnid der Geschlechtlichkeit. Denn er zerstört entschiedener-massen diesen einmaligen Aspekt des ehelichen Aktes, der ihn zu einem Akt macht, der die Gatten wahr-haft eint. Er stellt eine Zurückweisung der Ge-schlechtlichkeit des anderen dar, was einer Zurückweisung der Integrität des Ehegatte oder der Ehegattin gleich-kommt (Vgl. Covenanted Happiness (Anm. 50), S. 37f, 41, 51f).
Ein weiterer Aspekt des personalistischen Verständnisses der ehelichen Geschlechtergemein-schaft, die 'offen auf das Leben ist', besteht darin, dass sie auf legitime Weise zu einer Selbstverwirklichung [21] und einer Selbstperpetuierung führt (beides personali-sti-sche Werte); ihr grosszügiger Geschenkcharakter hebt sie auf eine höhere Ebene (Vgl. Covenanted Happiness (Anm. 50), S. 45f). Wenn der eheliche Akt auf das Leben hier offen bleibt, tendiert er keines-wegs auf eine Betonung oder Verewigung des 'Ich' der Ehegatten im Sinne egoistischer Isolierung, sondern vielmehr auf die Verewigung von etwas ande-rem, das die Eheleute gemein haben, und das für sie absolut intim ist: die Liebe, die sie eint.
Es ist genau das Bewusstsein des tiefen Sinngehalts der Fruchtbarkeit, der den ehelichen Akt so geneigt macht, zum 'bonum' der Ehegatten beitzutra-gen, indem sie so reifen, sich 'verwirklichen' und zu immer grösserer Einheit ge-langen. Darüberhinaus stellt jedes Kind, das sie zur Welt bringen, ein sicht-bares, 'Fleisch gewordenes' Band dar, das das Eheband stärkt, dessen Auf-rechterhaltung für die persönliche Entwicklung des Kindes und sein wahres Wohl wesentlich ist [22].
So wird die natürliche Komplementarität von Konjugalität und Prokreativität evident. Konjugalität bedeutet, dass der Mensch dazu bestimmt ist, Ehegatte zu werden, sich mit einem anderen Menschen zu vereinen in einem Akt, der 'unitiv' ist genau dadurch, dass er auf die Prokreativität hingeordnet ist. Prokreativität bedeutet, dass der Mensch dazu bestimmt ist, Erzeuger zu werden: Die Ver-einigung der Ehegatten ist von ihrer Natur her darauf angelegt, fruchtbar zu sein. Konjugalität und Prokreativität nehmen dem Menschen seine ursprüngliche Einsamkeit, die ihn als Person einengt und die seiner 'Selbstverwirklichung' und seinem 'bonum' abträglich ist [23].
XI. Zusammenfassung
Angestossen durch das 2. Vatikanische Konzil und das nachkonziliare Lehr-amt, hat der moderne Personalismus ein erneuertes Verständnis der Ehe und ihrer institutionellen Zwecke hervorgebracht. Diese Sichtweise, so wie ich sie vers-tehe, könnte wie folgt zusammengefasst werden:
a) die natürliche Hinordnung der Ehe auf bestimmte Zwecke wird her-vor-geho-ben;
b) eine Hierarchie der Zwecke wird nicht betont [24];
c) beide, das 'bonum coniugum' und die Zeugung/Erziehung von Kindern sind institutionelle Zwecke;
d) beide, das 'bonum coniugum' und die Zeugung/Erziehung von Kindern besitzen einen personalistischen Sinn;
e) die Zwecke sind natürlicherweise (institutionell) untrennbar;
f) ihre Untrennbarkeit ist wichtiger als jede Stufung untereinander;
g) die Untrennbarkeit will eine Zuordnung untereinander, nicht eine Unterordnung der Zwecke ausdrücken.
XII. Die Untrennbarkeit
Wir beschäftigen uns nun noch mit den letzten drei Punkten von Nr. XI: mit der Untrennbarkeit der zwei Ehezwecke, so wie sie im can. 1055 vorgestellt werden.
Begrifflich ist es möglich, diese beiden Ehezwecke zu trennen, in der Wirk-lichkeit hingegen nicht, wenigstens dann nicht, wenn man nicht die we-sentli-che Verfasstheit der Ehe untergraben will. Die Ehe wurde geschaf-fen für die Reifung der Ehegatten, was in besonderer Weise durch die Grün-dung einer Familie und in der Hingabe an sie geschehen soll. Sie wurde einge-richtet für die Zeugung und Erziehung von Kindern, was durch die leibliche Vereinigung der Ehegatten und durch die dauernde und wachsende Einheit von Mann und Frau geschieht. Es gab nur eine Einsetzung der Ehe, auch wenn sie im Buch Genesis in zwei verschiedenen Berichten beschrieben wird. Es war Gott selbst, der diese zwei Zwecke in einer Institution vereinigt hat. Der Mensch sollte der Versuchung nicht nachgeben sie zu trennen.
Eine kinderreiche Ehe, in welcher keiner der beiden Ehegatten Sinn für das Leben der Familie hat oder dafür, dass es zur Reifung und zum Glück der Person beiträgt, sich der Familie zu widmen, eine solche Ehe hat die charak-teristische menschliche Komponente verloren und kann schwerlich zum Wohl der Ehegatten und der Kinder beitragen. Eine Ehe 'à deux', in welcher Kinder (oder mehr als eins oder zwei) ausgeschlossen werden, insofern sie als mögli-che Störfaktoren für das Glück der Ehepartner angesehen werden, wird aller Voraussicht nach das Paar nicht lange glücklich machen. Sie stellt zu wenige Anforderungen, um zu ihrem wahren Wohl beitragen zu können; eine solche Ehe wird mögli-cher-wei-se nicht lange dauern.
Es scheint deshalb keinen Grund zu geben, die Aufmerksamkeit auf eine mögli-che Hierarchie der institutionellen Zwecke der Ehe zu lenken. Man ver-teidigt den prokreativen Aspekt nicht dadurch besser, dass man darauf be-harrt, dass er wichtiger sei als das Wohl der Gatten. Man verteidigt diesen Aspekt besser, indem man den Ehepaaren deutlich macht, dass ihre gegen-seitige Liebe, ihr Glück als Ehepaar und die persönliche Reifung jedes einzel-nen durch das Unterfangen gefördert wird, eine Familie nach den Plänen Gottes aufzubau-en [25]. Das Wohl der Ehegatten versteht man in seiner ganzen personalen Potentialität nur, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass es von der ausseror-dentlichen Bereicherung abhängt, die mit jedem Kind empfan-gen wer-den kann. Nur so kann man sich vor einer einge-schränkten und reduktiven Sichtweise bewahren, die zwar vom 'Wohl der Ehegatten' spricht, in Wirklich-keit aber das 'Wohl' jedes Ehegatten für sich allein betrachtet. Diese Einstel-lung führt ja dann oft zu jenen bedrohlichen Situationen, in denen schliess-lich das 'Wohl' des einen Gatten als Konkurrent und Gefährdung des 'Wohls' des ande-ren erscheint, was zum Zusammenbruch und zur Auflösung dessen führt, was einmal dem gemein-samen Glück dienen sollte.
Die Untrennbarkeit der beiden Zwecke vermag ein besseres Verständnis über deren gegenseitiges Verhältnis zu vermitteln. Sie lässt das Problem der Hier-archie hinter sich und schaut vielmehr auf die wesenhafte innere Zuord-nung der Zwecke. Jeder Zweck steht in lebendigem und wesenhaftem Bezug zum anderen. Jeder hängt auch vom anderen ab. Sie stehen zusammen oder sie fallen zusammen.
In der Tat ist es unnütz, darüber zu debattieren, ob die Zwecke von glei-cher Würde seien oder ob eine Unterordnung vorliege, so wie es ebenfalls nutzlos ist, solche Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von Mann und Frau zu disku-tieren. Vielmehr müssen die Komplementarität und die Untrennbarkeit unter-strichen werden.
Wir haben versucht durch die Reflexion über den ehelichen Akt, mittels wel-chem die Ehegatten 'ein Fleisch` werden, eine vertiefte Unter-suchung der grund-legenden von Paul VI. verkündeten Wahrheit zu vor-zuneh-men, nämlich dass der unitive und der prokreative Aspekt des ehelichen Aktes nicht ge-trennt werden können (Für eine breiter angelegte Untersuchung vgl. Covenanted Happiness (Anm. 50), S. 30-41). Der authentische christliche Persona-lis-mus führt uns, was die institutionellen Zwecke der Ehe betrifft, zu einer ähnlichen Schluss-folge-rung: Es sind dies das Wohl der Gatten und die Zeugung und Erziehung der Kinder. Es existiert darüberhinaus eine natürliche und innere Verbindung zwischen diesen beiden Zwecken. Sie sind eng miteinander verbunden, und die Erreichung des einen Zieles müsste auch die Erreichung des anderen fördern, so wie ersteres gleichzeitig von letzterem bedingt und unterstützt wird.
XIII. Weiterführende Perspektiven
Wir haben einige Überlegungen angestellt, die inspiriert waren von der Darstellung der Ehezwecke im can. 1055 des neuen Codex Iuris Canonici. Ich glaube, dass diese neue Formulierung breite und wichtige Perspektiven für weitere Untersuchungen eröffnet, nicht nur auf rechtlichem Gebiet, sondern auch für die Erforschung der hl. Schrift, für die (Moral-)Theologie, die An-thropologie und auch für die Pastoral.
Der Zeitpunkt ist günstig, könnten sich doch wichtige Konsequenzen aus einer weiteren Vertiefung folgender Aspekte ergeben:
a) dem Begriff der Ehe, basierend auf einem vollständigeren Ver-ständnis ihrer ursprünglichen (institutionellen) Zielsetzung und Würde; zu über-winden wäre insbesondere die vermeintliche Gegensätzlichkeit des pro-kreativen und des personalistischen Aspekts;
b) dem Wesen der ehelichen Geschlechtlichkeit, die - sinnentlehrt - Gefahr läuft, auf die Suche nach sich selbst reduziert zu werden, was dann der Fall ist, wenn das Sich-Schenken verschwindet hinter einer wachsenden Instrumentali-sierung des anderen Ehegatten, der auf die Kategorie eines Sexualobjekts reduziert wird;
c) den drei 'bona' des hl. Augustinus, besonders aus dem 'bonum pro-lis', das in den christlichen Personalismus der Ehe integriert weden sollte;
d) der Familie, indem vor allem vermieden wird, dass die authenti-schen Begriffe der Vaterschaft und Mutterschaft, und zwar in ihrer vollen menschlichen Reali-tät, Bedeutung und Würde, ihre Bedeutung verlieren;
e) der Ehevorbereitung und -begleitung, um den Ehepartnern zu helfen, dass sie ein vertiefteres Verständnis der Ehe als Weg der Hinga-be und der christlichen Heiligkeit erhalten.
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[1] [Sed contra] "dicitur mulier esse facta in adiutorium viri. Sed non ad aliud nisi ad generationem quae fit per coitum: quia quodlibet aliud opus, convenientius adiuvari posset vir per virum quam per feminam" (s. th. I, q. 98, art. 2).
[2] So akzeptiert z.B. der heilige Bonaventura die These von Hugo von St. Viktor: "duplex fuit eius institutio, una ante lapsum in officium, et alia post lapsum in remedium", in: Sent. Lib. IV, d. 26, art. 1, q. 1 (Ed. Quaracchi, vol. IV, p. 662); Vgl. auch Hugo von St. Viktor, De sac. coniugii (PL 176, 481). In Einklang gebracht bei Thomas von Aquin, Suppl., q. 42, art. 2.
[3] Vgl. ebd. S. ... . Die Ermutigung zu einem personalistischen Verständnis der Ehe in diesem Abschnitt war so stark, dass einige Herausgeber in moderner Sprache (z.B. der Text der DSP in den USA), weil sie päpstlicher als der Papst sein wollten, diesen Abschnitt in der ersten publizierten Fassung der Enzyklika ausliessen, davon überzeugt - so scheint es -, dass dieser Abschnitt nur mit einem Lapsus der Kurie zu erklären sei.
[5] Die Katechesen hielt der Papst in den Jahren 1978-1981. Publiziert unter dem Titel: Uomo e Donna lo creò: catechesi sull'amore umano, Città del Vaticano 1987.
[6] Diese Festlegung eines doppelten Zwecks hat Pius XI. in seiner Enzyklika Casti Connubii in gewisser Weise schon vorweggenommen: "Zweck [der Ehe] ist es, Kindern für Gott das Leben zu schenken und sie für Gott zu erziehen sowie die Gatten auf dem Wege christlicher Liebe und gegenseitiger Hilfe zu Gott zu führen.", in: AAS 22 (1930), S. 570.
[7] Die Entstehung des Begriffs 'bonum coniugum' und die Geschichte seiner Einführung in den CIC 1983 habe ich bereits in einem Aufsatz dargelegt: C. BURKE, The Bonum Coniugum and the Bonum Prolis; Ends or Properties of Marriage?, in The Jurist, 49 (1989):2, 704-713; Il 'Bonum Coniugum' e il 'Bonum Prolis': fini o proprietà del matrimonio?, in: Apollinaris 62 (1990), S. 559ff.
[8] Man könnte anfügen, dass die Kommission die Verwechslung hätte vermeiden können, wenn sie im Jahre 1977 anstatt 'finis personalis' 'finis personalisticus' (falls nötig bitte ich die Latinisten um Verzeihung) geschrieben hätte.
[9] Es ist ebenfalls grundlegend zu verstehen, dass beide im eigentlichen Sinn des Wortes personalistisch sind.
[10] DS 969. Vgl. ROBERT BELLARMIN, De Sacramento Matrimonii, cap. 5: "est unio sacrans, et sanctificans animas".
[11] ]"La grâce sacramentelle du mariage chrétien... par laquelle l'amour naturel entre les 'epoux est mené à sa perfection en vue de la sanctification des conjoints.", P. ANCIAUX, Le Sacrement du Marriage, Louvain 1961, S. 249.
[12] "Nuptiarum igitur bonum semper est quidem bonum; sed in populo dei fuit aliquando legis obsequium, nunc est infirmitatis remedium, in quibusdam vero humanitatis solacium", De bono vid., c. 8 n. 11 (CSEL 41, 317); Vgl. P. M. ABELLAN, El fin y la significación sacramental del matrimonio desde S. Anselmo hasta Guillermo de Auxerre, Granada 1939, S. 168.
[13] "Inter virum autem et mulierem maxima amicitia esse videtur: adunantur enim non solum in actu carnalis copulae, quae etiam inter bestias quamdam suavem societatem facit, sed etiam ad totius domesticae conversationis consortium, unde in signum huius, homo propter uxorem etiam patrem et matrem dimittit, ut dicitur Gen 2, 24", Summa c. Gent. III, c. 123.
[14] "Secundum Philosophum, in VIII Ethic, amicitia quae est inter virum et uxorem est naturalis, et claudit in se honestum, utile et delectabile", Suppl. q. 49, art. 1.
[15] "Forma matrimonii consistit in quadam indivisibili coniunctione animorum, per quam unus coniugum indivisibiliter alteri fidem servare tenetur.", S. th. III, q. 29, a. 2.
[16] "(...) mutuum obsequium sibi a coniugibus in rebus domesticis impensum. Sicut enim naturalis ratio dictat ut homines simul cohabitent, quia unus homo non sufficit sibi in omnibus quae ad vitam pertinent, ratione cuius dicitur homo naturaliter politicus; ita etiam eorum quibus indigetur ad humanam vitam, quaedam opera sunt competentia viris quaedam mulieribus; unde natura monet ut sit quaedam associatio viri ad mulierem, in qua est matrimonium.", In IV. Sent. d. 26, q. 1, art. 1; Vgl. Suppl. q. 41, art. 1.
[17] Hervada unterscheidet zwischen dem 'mutuum adiutorium' und der personalen Verwirklichung der Ehegatten. Wenn es nach ihm geht, so ist der gegenseitige Beistand ein spezifischer Zweck der Ehe, während die personale Verwirklichung ein allgemeiner Zweck ist, der allen Christen gemein ist, der also für Verheiratete nicht spezifisch ist. Man kann den Begriff 'personal(istisch)er Zweck' zweifellos in dem Sinne verstehen, wie ihn Hervada kritisiert, als autonome, nicht transzendente 'Selbstverwirklichung', was folglich nicht christlich ist. Vgl. hierzu J. HERVADA, Diàlogos sobre el amor y el matrimonio, Pamplona 1987, S. 72ff. Meiner Meinung nach lädt uns der can. 1055 dazu ein, eines angemessenes Verständnis des 'bonum coniugum' zu entwickeln, insoweit es personale Entwicklung und christliche (Selbst-)Verwirklichung der Ehegatten meint. So betrachtet kann ich mit folgender Aussage Hervadas nicht übereinstimmen: "no es correcto enumerar la realización personal entre los fines del matrimonio", ebd. S. 70.
[18] Robert Bellarmin, beispielsweise, Petrus Lombardus und Thomas von Aquin kommentierend, bekräftigt, dass im Unterschied zur Eucharistie, der Firmung und der Weihe, die eingesetzt wurden "principaliter ad adiuvandum in bono", die Ehe in erster Linie eingerichtet wurde "ad peccata vitanda", De Sacramento Matrimonii, cap. 5. Für die Behandlung des Themas bei Thomas von Aquin vgl. Suppl., q. 41, art. 3 ad 3 et 4; q. 42 art. 3 ad 4.
[19] Auch wenn es nur in den Bereich des Anekdotischen gehört, möchte ich anfügen, dass noch im Jahre 1959 ein Verteidiger der traditionellen Lehre von der Hierarchie der Ehezwecke - offenbar war er unzufrieden mit der Darstellung der Ehe durch Pius XI., der sie auf die personale Vervollkommnung der Gatten hingeordnet sah - zugestand, dass man im 'remedium concupiscentiae' eine 'Art negativer Verbesserung der Natur' sehen könne, die einen Mangel der gefallenen Natur kompensiere, A. PEREGO, Discussione teoretica sulla gerarchia dei fini matrimoniali, in: La Civiltà Cattolica 110 (1959), S. 139. Es scheint klar, dass die Zeitumstände nach einem Verständnis dieses sekundären Ehezweckes verlangt haben, der jenes der 'negativen Verbesserung' überwinden sollte!
[20] P. ANCIAUX (Anm. 29), S. 51-54, zog es vor, von der "Erziehung oder Regulierung der sexuellen Aktivität" zu sprechen, während später andere Autoren wie etwa Viladrich besser vom "vernunftgemässem Umgang mit der Sexualität" gesprochen haben.
[21] Was gibt es bezüglich der Selbstverwirklichung Einmaligeres, als die Zeugung eines eigenen Kindes, einer anderen Person in ihrer ganzen Unwiederholbarkeit, das sich die Ehegatten als Frucht der gegenseitigen Hingabe schenken? Hier sieht man den grundlegenden Irrtum des Personalimus von H. Doms, der das Kind nur als Zugabe zur ehelichen Gemeinschaft betrachtet hat.
[22] "Causa stabilis et firma coniunctionis [inter virum et uxorem] videntur ess filii. Et inde est quod steriles, qui scilicet carent prole, citius ab invicem separantur... Et huiusmodi ratio est quia filii sunt commune bonum amborum, scilicet viri et uxoris... Illud autem quod est commune continet et conservat amicitiam.", In VIII Ethic., lect. 12.
[23] Auch Johannes Paul II. spricht darüber, dass die Sexualität verspricht, die Überwindung dieser ursprünglichen Einsamkeit zu sein. Vgl. Uomo e Donna lo creò (Anm. 13), S. 44ff.
[24] Es ist richtig, dass sich Johannes Paul II. in einer Ansprache am 10. Oktober 1984 auf die Hierarchie der Ehezwecke bezogen hat (Insegnamenti di Giovanni Paolo II, VII, 2 (1984), p. 846). Dieser Hinweis scheint mir aber nicht der Tatsache zu widersprechen, dass diese Frage nunmehr in einem anderen Licht gesehen wird.
[25] Pius XII. bestand in seiner berühmten Rede am 29. Oktober 1951, als er den Vorrang der Zeugung energisch verteidigte, auch auf der engen und natürlichen Verbundenheit zwischen der Sendung der Ehegatten als Erzeuger einerseits und ihrer 'persönlichen Bereicherung' als Ehepartner andererseits. Vgl. AAS 43 (1951), S. (850).