Eine weise Einsicht in das moderne Leben

On the web I recently came across a German version of part of a 1999 lecture of mine (at http://www.doulos.at/eine-weise-einsicht-in-das-moderne-leben)
I reproduce it here; and - for the help of those whose German is at about my level - the original English passage.

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Eine weise Einsicht in das moderne Leben By Wolf Paul (2012/10/23)

Vor ein paar Jahren gab es hier in Österreich heftige Kontroversen in den Medien und anderswo über einen bestimmten, inzwischen verstorbenen römisch-katholischen Bischof. Ich war nicht sehr erstaunt, als ich eines Tages herausfand, daß der Mann gleich nach seiner Priesterweihe begann, Kirchenrecht zu studieren, und schließlich zu unterrichten, bis man ihn eines Tages zum Bischof ernannte und ihm eine Diözese unterstellte. Er hatte nie als Priester in einer Pfarre gearbeitet, und war von seiner Persönlichkeit her kein Hirte, sondern ein Jurist.
Aber nicht alle Juristen, nicht alle Professoren des Kirchenrechts sind so versessen auf die Details des Gesetzes, daß sie den Kontakt zur wirklichen Welt verlieren. Ich bin gerade auf einen Artikel von Cormac Burke gestoßen, einem irischen Priester und Kirchenrechtler, der 30 Jahre als Pfarrer und Professor in Europa, Amerika, und Afrika gearbeitet hatte, als er an die römische Rota, das Höchstgericht der römisch-katholischen Kirche, berufen wurde. Dort diente er 13 Jahre lang, und kehrte 1999 nach Kenya zurück, wo er seither an der Uni unterrichtet.
Monsignore Burke war auf Familien- und Eherecht spezialisiert, und das folgende Zitat stammt aus einem Vortrag, den er 1999 in New York hielt:

Bis vor gar nicht so langer Zeit hatten Romane und Filme meist ein schablonenhaft glückliches Ende — zumeist eine Hochzeit, und das Brautpaar lebte glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Das war natürlich eine starke Vereinfachung, und das war auch den meisten klar, aber die Menschen haben es trotzdem, zumeist in jungen Jahren, versucht, in der Hoffnung, daß es das erwünschte Ergebnis bringen würde, zumindest größtenteils. Ist diese Hoffnung am aussterben? Und wenn ja, welchen Schluß sollten wir daraus ziehen? Daß der Realismus die Romantik überwunden hat? Oder daß der Realismus zu Skeptizismus degeneriert ist? Eines ist auf jeden Fall wahr: wenn die Menschen ihr Vertrauen in die Ehe verlieren, dann werden wir damit Zeugen eines Vertrauensverlustes in eine Einrichtung, die bisher immer ein wichtiger Weg zu Erfüllung und Glück war. Wenn die Menschen in Bezug auf die Ehe immer skeptischer werden, verlieren wir damit eine der wichtigsten Stützen oder Hoffnungen des menschlichen Lebens.

Angst vor Verpflichtung, vor Festlegung. Diese Unsicherheit in Bezug auf die Ehe ist ein wichtiger Ausdruck der modernen Angst vor Verpflichtung oder Festlegung, davor, sich an etwas oder jemanden zu binden, ohne einen Ausweg für zukünftige Veränderungen. Es ist auch ein Ausdruck der modernen Selbsttäuschung, daß man ohne Verpflichtung, ohne Verantwortung glücklich werden kann, und der modernen Mentalität, die davon ausgeht, daß immer — früher oder später — etwas besseres nachkommt, und daß ich zu den Verlierern gehöre, wenn ich nicht zu diesem besseren wechseln kann. Man muß ständig aktualisieren, verbessern, und wenn nötig, überhaupt das Produkt wechseln. Deshalb muß man sich immer alle Optionen offenhalten.

Wenn man es genau betrachtet, dann ist diese Mentalität nicht das Resultat einer Freiheitsliebe, sondern vielmehr das Resultat der Angst, diese Freiheit tatsächlich auszuüben; und noch genauer, das Resultat der Befürchtung, daß es im Leben nichts gibt, woran zu binden, sich zu verpflichten, sich lohnt.

Wenn jemand eine Reise macht, und an einer Wegkreuzung ankommt, dann hat er die Freiheit, eine von mehreren Richtungen einzuschlagen. Es ist klar, daß, wenn er eine dieser Richtungen einschlägt, er die anderen hinter sich läßt. Umso weiter er in dieser Richtung geht, umso weiter entfernt er sich von den anderen Wegen, die ihm offen gewesen wären. Wenn er jetzt auf den Gedanken kommte, daß er dadurch seine Freiheit einschränkt, ja sie sogar verliert (statt sie auszuüben), dann gibt er vielleicht der Versuchung nach, umzudrehen und zurückzugehen. Vielleicht tut er das auch auch aufgrund der Schwierigkeiten, die ihm gerade begegenen (und jeder Weg hat seine eigenen Schwierigkeiten), oder weil es ihm wichtig erscheint, seine Freiheit ohne Kompromisse zu bewahren.

Aber die letzte Konsequenz dieser Denkweise ist offensichtlich. Wer sich von der Angst vor Festlegung beherrschen läßt, der wird immer wieder und wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehren. Er bleibt an der Wegkreuzung — mit einer Freiheit, die intakt, aber nutzlos ist — und wird zunehmend weniger fähig, sich tatsächlich für etwas zu entscheiden.

[[ Dieses Zitat stammt aus Mgr. Burkes Artikel Annulments: the good of the spouses, of the family, and of the Church (New York Lecture, 1999. Linacre Quarterly, 2000) welcher hier auf seiner Webseite gefunden werden kann. ]]

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And now, in English

A wise insight into modern life By Wolf Paul (2012/10/23)
A few years ago there was a lot of media controversy over a particular Roman Catholic bishop here in Austria (who has since passed away). I was not very surprised to find out at some point along the way that this man had been a life-long student and then teacher of Canon Law before being appointed and consecrated as a bishop; he had never been a parish priest, and from his personality was not a pastor but a lawyer.
But not all lawyers, not all canon law professors are so consumed with legal details that they are no good in the real world; I just came across an article by Cormac Burke, an Irish priest and canon lawyer who spent 30 years pastoring and teaching in Europe, America, and Africa, and then 13 years as a judge of the Roman Rota, the high court of the Roman Catholic Church. Since 1999 he's been back in Kenya, teaching at the university there.
Monsignor Burke specialized in marital and family law, and the following quote is from a 1999 lecture in New York:

Until not so long ago novels and films tended to have a stereotyped ending – usually marriage, with the couple living happily ever after. It was an over-simple formula, as most realized, yet people continued to try it out in an early moment of their lives, with the hope that it would produce the desired result, at least in large measure. Is that hope dying out today? And if it is, what should we conclude: that realism has overcome romanticism?; or that realism has degenerated into skepticism? In any case, if people are losing trust in marriage, then we are witnessing a collapse of faith in what formerly was seen as a principal means of fulfillment and happiness. If people are becoming skeptical about marriage, a major prop or hope of human life is giving way.

Fear of commitment. This diffidence about marriage is a main expression of the modern fear of commitment, fear of binding oneself to one thing without an outlet that allows for recurrent change. It is equally an expression of the modern pretension or illusion of finding happiness without commitment; and the modern mentality that there is always – or very soon will be – something better to what I have, and I lose out if I don't change to that something better. One needs constantly to be updating, upgrading, and if necessary changing one's model completely. And so one must keep one's options always open.

Properly analyzed, this mentality is of course the result not of love for freedom, but of the fear of exercising it; and more basically of the fear that there is nothing in life worth a permanent commitment.

If a person is on a trip and arrives at a crossroads, he is free to continue along one of the several roads before him. It is clear that choosing one, means leaving the others behind. The more decidedly he goes ahead on the road chosen, the more he departs from the other roads. If the thought crosses his mind that he is endangering his freedom in this way, that he is even losing (rather than exercising) it, he may yield to the temptation to turn back, perhaps too because the difficulties of the way are beginning to make themselves felt (every way has its own difficulty), perhaps simply because it seems more important to him to maintain – to preserve – his freedom uncompromised.

The ultimate consequence of yielding to such a way of thinking is obvious. Whoever allows himself to be overcome by the fear of committing himself, keeps returning time and again to his point of departure. He remains at the crossroads – with a freedom that is "intact", but useless; and so becomes little by little incapable of any permanent and definitive choice.

[[ This quote is taken from Mgr. Burke's article Annulments: the good of the spouses, of the family, and of the Church (New York Lecture, 1999. Linacre Quarterly, 2000) ]]